Die Verweigerung der "Vocatio" und die Austritte aus der Kirche

Impulse Jobst Bittner

In diesem Jahr haben wieder mehr als eine halbe Million Christen in Deutschland die Kirchen verlassen, so melden es die Medien. Natürlich gibt es dafür eine Anzahl wichtiger Gründe, wie der demographische Wandel oder die zunehmende Säkularisierung Europas. Dennoch bleibt angesichts einer so großen Zahl von Austritten die Frage, ob die Evangelische Kirche es sich noch leisten kann, motivierten evangelikalen freikirchlichen Lehrern ihre Unterstützung für die Ausübung des gymnasialen Religionsunterrichts in der Form einer "Vocatio" zu verweigern.

Sollte hier nicht umgedacht werden? Können wir es uns in einer Zeit zunehmender Entchristlichung Deutschlands leisten, dass hunderten - vielleicht tausenden - freikirchlichen Theologen aufgrund ihres Taufverständnisses oder aber aufgrund von theologischen Vorbehalten der gymnasiale Religionsunterricht verweigert wird?

Ein Beispiel aus meinem Umfeld: Eine Chinesin kommt als 10-Jährige mit ihren Eltern nach Deutschland, wo sie zum lebendigen Glauben an Jesus Christus kommt. Als Teenager lässt sie sich aufgrund ihres Glaubens taufen. Sie wird deutsche Staatsbürgerin. Ihr Wunsch: Schüler als Lehrerin unterrichten zu können. Es folgt eine Ausbildung in Geschichte und Theologie mit dem Ziel, Gymnasiallehrerin zu werden. Der Abschluss im Studium und im anschließenden Referendariat ist erfolgreich. Nur: sie darf nicht unterrichten. Nach anfänglicher Zusage der "Vocatio" wird sie von den Behörden der Kirche aus theologischen, heute sagt man aus weltanschaulichen, Gründen abgelehnt. Um unterrichten zu können, braucht ein Gymnasiallehrer zwei Fächer. Obwohl ihr außerordentliche pädagogische Fähigkeiten bescheinigt werden, steht sie, bevor sie anfangen kann, vor ihrem beruflichen Ende. Kirchliche Überprüfungen ihres Unterrichts können keine theologischen Schieflagen erkennen. Sie ist evangelikal, theologisch geschult - und wird aufgrund einer theologischen Engführung aussortiert.

Die junge Frau ist begabt und wird ihren Weg finden. Aber - was für eine verpasste Chance für die zahlreichen Schüler, die die Chance gehabt hätten, in einer Zeit der Kirchenaustritte und Entchristlichung, von einer motivierten Lehrerin unterrichtet zu werden. Man kann nur auf innovative und mutige Theologen in den Kirchen hoffen, die bereit sind Antworten zu finden, die in dieser Zeit angemessen sind.  

 

Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen, 

Jobst Bittner